Libra, neues Banking & digitale Assets, DApp UX, Radical Markets | Distributed Economy Update #2 | Deutsch

Das ist die Webversion unseres Newsletters Distributed Economy Update

Das zweite Distributed Economy Update ist da. In dieser Ausgabe finden Sie einen Einblick in das Zusammenspiel zwischen New Banking und neuen, digitalen Asset-Klassen, eine kritische Auseinandersetzung mit Facebook’s Libra, einen möglichen UX-Durchbruch für Ethereum DApps und eine Buchempfehlung für den Sommer.

Wir hoffen, einen Beitrag zum Löschen ihres Wissensdurstes leisten zu können! 

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Beste Grüße
Thomas Euler


Digital Finance

Wird das Wachstum des “New Bankings” neue digitale Anlageklassen mit sich ziehen?

von Simon SchaberLinkedIn

Ein großes Problem für Krypto-Märkte war schon immer der Mangel an Liquidität.

Immer wieder hören wir die These, dass dies besser würde, sobald Mainstream- oder institutionellen Investoren in den Markt eintreten. Da beide Gruppen allmählich ankommen, müssen wir vielleicht gar nicht lange warten, um diese These zu testen.

Erheblich für die Liquidität der Märkte könnten allerdings auch die wachsende Gruppe der neuen Finanzdienstleister werden. Beispiele sind etwa N26, die allein in diesem Jahr 470 Millionen Dollar an frischer Finanzierung eingeworben haben, Revolut, das den mehr als 4,5 Millionen Nutzern seiner Plattform Zugang zum Aktienmarkt ermöglicht, oder Robinhood, das allen Anlegern unter 35 ein Begriff ist. Dank ihnen wird sich der Innovationszyklus erheblich beschleunigen. Die Börse Stuttgart etwa ermöglicht Nutzern ihrer App Bison bereits, Bitcoin und Ethereum direkt neben Aktien zu handeln.

Die Verbraucherbank des 21. Jahrhunderts ist ein Technologieunternehmen. Sie ist ein digitaler Service mit deutlich geringeren Gemeinkosten als die etablierten Akteure. Ich wage zu behaupten, dass diese “neuen” Banken weitaus offener für die Notierung von Wertpapieren auf Token-basis sein werden, als alle althergebrachten Akteure.


Crypto Market Insights

Libra entwirrt: Die Auswirkungen des Digital Currency Projekts von Facebook

von Andrea Bianconi | LinkedIn | Medium | Website

Libra – Facebook´s digitale Währung – ist ein komplexes Projekt, das kritische Auswirkungen hat, einschließlich auf wirtschaftliche, monetäre und geopolitische Aspekte. Ich habe versucht, diese in einem ausführlichen, zweiteiligen Artikel zu analysieren. Es folgt eine kompakte Zusammenfassung. Den vollständigen Artikel finden Sie hier: TEIL I und TEIL II.

Ist Libra eine Kryptowährung oder ein Stablecoin?

Libra hat einige Merkmale anderer Kryptowährungen, etwa die kryptographische Sicherheit, den Umstand, dass es auf einer (permissioned) Blockchain läuft, oder dass es global und fungibel sein kann, zumindest in der Theorie. Es hat jedoch wenig gemein mit dem Kryptowährungsparadigma, das von Bitcoin begründet wurde, einem völlig dezentralem, vertrauenswürdigem, offenem, zensurresistentem und stark belastbarem Zahlungssystem.

Es ist auch kein Stablecoin. Bei einem Stablecoin – wie zum Beispiel Tether (USDT) – ändert sich die Geldmenge nicht, da eine Einheit Papiergeld von der Realwirtschaft abgezogen wird und ungenutzt in der Reserve liegt, während eine Einheit der digitalen Münze zirkuliert. Dies geschieht bei Libra nicht: Hier geht eine Einheit Papiergeld in den Reservefonds und kauft eine Einheit z.B. einer Staatsanleihe; gleichzeitig wird aber eine Einheit Libra erstellt und an den Nutzer übertragen, der damit Waren und Dienstleistungen in der Realwirtschaft kauft. 

Das Ergebnis ist, dass die Geldmenge verdoppelt wird. Daher ist Libra, wie gegenwärtig konzipiert, eine inflationäre digitale Währung, die definitiv kein Stablecoin ist und weit entfernt von einem nicht inflationären oder völlig deflationären Wertspeicher wie Gold oder Bitcoin. Sie wird sich direkt auf die Geldmenge des Landes auswirken, in dem sie ausgegeben wird: Durch die Einführung von mehr Geld, das die gleichen Waren verfolgt, wird die Preisinflation erhöht und die Kaufkraft der lokalen Währung sinkt. Dies kann erhebliche geopolitische Auswirkungen haben, die in Teil II des vollständigen Artikels behandelt werden.

Libra wird mit Geschäftsbanken und Zentralbanken konkurrieren, nicht mit Bitcoin.

Libra kann die größte Retailbank und der größte Investmentbroker der Welt werden, ohne eine einzige Filiale eröffnen zu müssen. So kann es auch ein starker Konkurrent für die Zentralbanken auf der ganzen Welt werden. Durch die Beeinflussung der lokalen Geldmenge und die Inflation in den Ländern, in denen Libra ausgegeben wird, agiert die digitale Währung effektiv wie eine Zentralbank. Wenn es an Fahrt gewinnt, kann es durchaus eine bessere Alternative zu jeder Fiat-Währung sein.

Libra: Lassen Sie ihr Geld arbeiten… für Facebook & Co.

Bei Libra geht es nur um eines: Geld verdienen. Nur wenige Dinge sind besser, als mit dem Geld eines Drittens Geld zu verdienen, ohne dabei Risiken einzugehen. Es ist einer der ältesten Jobs der Welt und wird gemeinhin Banking genannt. Die neue Geschäftsstrategie von Facebook zielt auf ein profitableres, gebührenbasiertes Geschäftsmodell ab – das so genannte Digital Banking – und nutzt die 4,9 Milliarden Nutzer, um ein eigenes, gebührenbasiertes digitales Zahlungssystem zu fördern, indem es Ihr Fiat-Geld in eine digitale Münze umwandelt. Nach meinen Berechnungen (siehe hier) kann dies Facebook & Co. ohne Weiteres bis zu 140 Milliarden US-Dollar pro Jahr einbringen, nur mit Gebühren und Zinserträgen aus den Reservefonds.

Libra wird das Unbanked-Problem nicht lösen.

Da Libra die Transaktionskosten im Vergleich zum traditionellen Bankwesen effektiv senken wird, kann es einen höheren Grad an finanzieller Inklusion erreichen. Doch auch Libra wird nicht umhinkommen, jene Vorschriften einzuhalten, die Ursache für die finanzielle Ausgrenzung sind. Daher wird das Versprechen von  “echter finanzielle Inklusion” weiterhin Bitcoin und anderen völlig dezentralen Datenschutzkryptowährungen vorenthalten bleiben. Gleichwohl kann Libra aber positiv dazu beitragen, indem es die Bankkosten senkt.

Libra ist das geopolitische Instrument, das die US-Regierung braucht, um den US$-Reserve-Status für die Zukunft zu stärken.

Die Annahme ist, dass Nutzer der Calibra-Wallet je nach Akzeptanzrate und durchschnittlichen monatlichen Ausgaben zwischen 176 und 2,05 Billionen US-Dollar in den Libra-Reservefonds investieren könnten. Das aktuelle jährliche Angebot an US-Treasuries beträgt ca. 1 Billion US-Dollar. Demnach könnte Libra von niedrigen 17% bis beinahe zum Doppelten des gesamten jährlichen Schuldenangebots der US-Regierung alles bedienen. Somit könnte es zu einem sehr mächtigen geopolitischen Instrument für die US-Regierung werden, eine Chance, die sie sicht nicht entgehen lassen sollte. Während also große Teile der Welt nach Alternativen zum US-Dollar als globale Handelswährung suchen, könnte eine globale, digitale Unternehmenswährung durch die Hintertür genutzt werden, um geopolitische Interessen der USA in genau den Ländern zu fördern, die versuchen, ihnen zu entkommen, etwa China, Russland oder die EU, Venezuela, Syrien, oder die Türkei.

Dies ist nur eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Themen, die im vollständigen Artikel analysiert wurden. Hier geht’s zu Teil I und Teil II.


Aufbau des dritten Webs

Eine bessere UX für Ethereum Dapps dank Tankstellen?

von Thomas Euler | LinkedIn | Medium | Twitter

Einer der Knackpunkte für jede dezentralen Applikation, die auf Ethereum setzt, ist das Onboarding der Nutzer. Denn um eine DApp zu nutzen, dürfen sich die aktuell auf eine Menge Unterhaltung freuen: etwa die Verwaltung von Private Keys, die Installation von Metamask, die Erzeugung eines Seeds, der Erwerb von Ether an einem Fiat-Gateway und vor allem das Bezahlen von Gas-Gebühren. (Und, nicht zu vergessen: ein Nutzer muss zunächst einmal verstehen, was zum Teufel die App eigentlich von ihm will.)

Gerade wegen dieses Ärgers kämpfen viele Ethereum DApps darum, überhaupt Nutzer zu akquirieren. Umgekehrt verzichten mehrere App-Entwickler, die grundsätzlich daran interessiert sind, auf dezentraler Architektur aufzubauen, letztlich doch lieber darauf, da es nicht praktikabel ist. 

Das neu gestartete Gas Station Network, ein Open-Source-Projekt aus dem Umfeld von MetaCartel und OpenZeppelin, versucht aktuell, dies zu ändern. Das funktioniert dann so, laut offiziellem Ankündigungspost (eigene Übersetzung):

“GSN ist ein Netzwerk von Servern – Relayer genannt – die darauf warten, Transaktionen auszuführen. Jeder Relayer wird für jede Transaktion bezahlt, die auf der Blockchain platziert wird. Die Relais werden dazu angehalten, sich korrekt zu verhalten und nicht zu betrügen.

Und das Beste daran: GSN benötigt keinen zentralen Server und keine zentrale Instanz, um es zu organisieren. Ihre Anwendung erhält eine Antwort mit allen verfügbaren Relais. Diese Relais werden auf Ethereum im Rahmen des RelayHub Smart Contract gespeichert. Deine App kann den Relayer auswählen, der die Transaktion basierend auf seiner Reputation ausführen wird.”

 

Wenn Sie den GSN in Aktion sehen möchten, werfen Sie am besten einen Blick auf diese Chat-App-Demo. Wenn es in der Praxis so nahtlos funktioniert, wie es klingt, könnte sich GSN aus vielerlei Hinsicht als wichtige Innovation erweisen:

  • das Ethereum-Netzwerk wäre für Entwickler plötzlich deutlich zugänglicher
  • Ethereum-basierte DApps könnten eine deutlich verbesserte User Experience bieten und sie für durchschnittliche Nutzer einfacher zugänglich machen
  • Unternehmen könnten ernsthafter erwägen, das Ethereum Mainnet zu nutzen.

Ramon Recuero bringt es im Ankündigungspost perfekt auf den Punkt: 

“Wenn Sie Blockchain verwenden, müssen Sie eine Möglichkeit finden, Ihren Nutzern einen einzigartigen Mehrwert zu bieten. Sie müssen alle technische Komplexität der Blockchain samt der damit verbundenen Kosten verstecken. Transaktionskosten und Gas-Gebühren sind jetzt Teil Ihrer Kundengewinnungskosten (CAC). Kümmern Sie sich darum. Ihre Nutzer werden es nicht tun.”

Mic drop.


Politische Philosophie

Buchempfehlung – Radical Markets: Uprooting Capitalism and Democracy for a Just Society

von Leon Erichsen | LinkedIn | Twitter 

Im Studium an der Schnittstelle von Ökonomie und Philosophie lernt man verschiedene politische und wirtschaftliche Theorien kennen. Sie können mich gerne beim Wort nehmen: Radical Markets ist meine Lieblingstheorie dieser Art, der ich während meines Studiums begegnet bin. Das Buch erschien erst 2018, weswegen es von unvergleichlich hoher Relevanz ist.

Insgesamt behandeln die Autoren Eric Posner und Glen Weyl fünf große soziale Probleme, die in fünf Kapiteln zusammengefasst sind.

  1. Property is Monopoly: Creating a Competitive Market in Uses Through Partial Common Ownership
  2. Radical Democracy: A Market for Compromise in our Shared Lives
  3. Uniting the World’s Workers: Rebalancing the International Order Toward Labor
  4. Dismembering the Octopus: Toward a Radical Market in Corporate Control
  5. Data as Labor: Valuing Individual Contributions to the Digital Economy

Vitalik Buterin, der Begründer von Ethereum, fasste die allgemeine Philosophie des Buches wie folgt zusammen (seine Rezension hat mich ursprünglich auf das Buch aufmerksam gemacht. Es ist auch eine gute erste Anlaufstelle, um es besser zu verstehen):

Markets are great, and price mechanisms are an awesome way of guiding the use of resources in society and bringing together many participants’ objectives and information into a coherent whole. However, markets are socially constructed because they depend on property rights that are socially constructed, and there are many different ways that markets and property rights can be constructed, some of which are unexplored and potentially far better than what we have today. Contra doctrinaire libertarians, freedom is a high-dimensional design space.

Heute ist Buterin Vorstandsmitglied der RadicalxChange Foundation. Darüber hinaus hat er zusammen mit Zoë Hitzig und Radical Markets Co-Autor Weyl eine wissenschaftliche Arbeit über Quadratic Financing – einen alternativen Ansatz zur Finanzierung öffentlicher Güter – entwickelt.

Warum ist das alles wichtig für einen Newsletter über Blockchain-Technologien? Angesichts der jüngsten Fortschritte in den Computer- und Sozialwissenschaften scheinen wir wirklich kurz vor einem sozialen Wandel zu stehen. Zum Besseren oder Schlechteren? Die technologischen Fortschritte könnten einerseits zu mehr die Hate Speech auf Social Media, geschlossenen Finanzmärkten und Datenhandel führen. Oder sie werden dazu genutzt, um in Zukunft mehr Frieden und Wohlstand zu erreichen. So oder so, Blockchaintechnologien sind ein Werkzeugkasten, dessen Inhalt uns erlaubt, die Organisation unserer Gesellschaft zu verändern.

Die theoretischen Konzepte der größten westlichen Institutionen – insb. Demokratien und Märkte – nehmen ihren geistigen Ursprung in einer Zeit lange vor der Erfindung von Computern, Internet und Blockchains. Radical Markets verfolgt einen interessanten Ansatz: Es schlägt innovative Mechanismen und politische Konzepte vor, um menschliche Zusammenarbeit in einer digitalisierten Welt zu verbessern.

In kommenden Newslettern werde ich auf bestimmte RxC-Konzepte im Detail eingehen und auf deren mögliche Anwendungsfälle in realen Organisationen hinweisen.

 



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Photo Credits:
Photo by Austin Distel on Unsplash

Author: Redaktion

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