Blockchain, Telekommunikation, Handys: Da tindert was …

Wenn man an Blockchain und Distributed Ledger Technologie denkt, dann wahrscheinlich nicht als erstes an Telekommunikation, sondern eher an Kryptowährungen und die Finanzbranche. Tote Hose in der Telekommunikation?

Mitnichten. Das wollen wir in diesem und weiteren Beitrag beleuchten, wobei der Fokus zunächst einmal auf Telekommunikationsendgeräten, d.h. Smartphones mit Blockchain Funktionalität liegen wird. Telekommunikationsdienste, Anwendungen zur internen Prozessoptimierung sowie in der Telekommunikationsregulierung – Stichwort Verbraucherschutz – planen wir in zukünftigen Beiträgen zu beleuchten.

Was passiert aktuell mit Blockchain bei Smartphones? Welcher Hersteller bietet welche Geräte an und für welche Kunden ist das eigentlich interessant?

Nun, im Endgeräte-Bereich ist das Feld zurzeit noch übersichtlich. Es handelt sich um einen jungen Markt, der sich gerade entwickelt. Das israelische Unternehmen Sirin Labs ist mit dem Finney Ende 2018 als Pionier an den Start gegangen, gefolgt von HTC mit dem Exodus Phone sowie in diesem Jahr Samsung mit dem Galaxy S10.

Quelle: https://www.finder.com/blockchain-smartphones

Was diese Blockchain- oder Krypto-Handys von ‚normalen’ Smartphones unterscheidet, ist vor allem der höhere Sicherheitsstandard. Die Telefone fungieren u.a. als cold-storage wallets, d.h. als Tresore für digitale Daten, in denen private Schlüssel (private keys) für Kryptowährungen sicherer als bei online Speicherung verwahrt werden können. Im Prinzip ist diese sichere Form der Speicherung nicht auf Kryptowährungen begrenzt, sondern kann auch andere private Schlüssel, Tokens oder persönlichen Daten umfassen.

Gegenüber alternativen cold storage Lösungen haben die Krypto-Telefone den Vorteil keine zweite Hardware zu benötigen, sondern alles in einem Gerät zu bieten. Sie sind damit insgesamt einfacher zu nutzen, portabel und kostengünstiger zugleich. Weiterhin ermöglichen die Blockchain-Telefone, leichter und sicherer auf dezentralisierte Applikationen, sogenannte DApps, zuzugreifen. Mit Hilfe von DApps lassen sich beispielsweise Kryptowährungen einfach versenden, Tokens für CryptoKitties speichern, Social Media Nutzung bzw. die Bereitstellung von Daten inzentivieren, aber auch Gambling-Anwendungen sowie die Ausgabe von Tokens für Online Spiele sicherer machen. Dies sind nur einige von vielen Beispielen. Bisher sind DApps noch nicht weit verbreitet, doch wird sich dies ändern, sofern das Internet eine stärker dezentrale und verteilte Struktur annimmt.

Neben dem Finney, Galaxy S10 und Exodus, die im Preisbereich von $999 bis $699 liegen, gibt es zurzeit noch das mit $80 sehr günstige Electroneum M1 auf dem Markt. Im Laufe des Jahres wird nach Unternehmensangaben noch das PundiX Phone für $599 verfügbar. Letztere beiden Smartphones fungieren auch als Knotenpunkte in den jeweiligen Blockchains ihrer Anbieter, d.h. sie sind selbst Teil des verteilten Blockchain-Netzwerks und tragen damit zur Datensicherheit bei. Zudem bietet auch die auf Sicherheitstechnologie spezialisierte deutsche Firma Sikur ein Smartphone mit einem Crypto-Wallet an, das auf Hardware von Sony aufsetzt und preislich bei ca. $800 angesiedelt ist.

Die Nutzung von Blockchain-Technologie in der Telekommunikation – Endgeräte, Dienste oder Applikationen – wird u.a. stark durch asiatische Unternehmen vorangetrieben. So bilden sich in Asien Ökosysteme aus Endgeräte-Herstellern, Telekommunikationsanbietern und Finanzdienstleistungsunternehmen heraus, die durch staatliche Industriepolitik gestützt, die Adaption und Diffusion von Blockchain-Technologie gezielt vorantreiben. Ein gutes Beispiel dafür ist Südkorea, wo Samsung zusammen mit den lokalen Telekommunikationsbetreibern SK Telecom, Korea Telecom und LGPlus sowie Banken eine Allianz geschmiedet hat, um im nächsten Jahr Blockchain-basierte Mobile Identity Lösungen auf den Markt zu bringen.

Bei diesen Lösungen behält der Nutzer im Rahmen von Online Transaktionen die volle Kontrolle über seine persönlichen digitalen Daten wie Passwörter oder Kreditkarteninformationen – ein fundamentaler Paradigmenwechsel verglichen mit der gegenwärtig üblichen Praxis, bei der  Informationen auf den Servern der Onlinegiganten zentral gespeichert und nach deren Regeln weiterverarbeitet werden. Gerade in Anbetracht der jüngsten Datenschutz-Skandale ist Self-Sovereign Identity Management eines der vielversprechendsten Einsatzfelder der Blockchain-Technologie. Man sieht an dem südkoreanischen Beispiel auch, dass industrieübergreifende Partnerschaften ebenso wie die Zusammenarbeit von Unternehmen innerhalb derselben Industrie in der Zukunft entscheidend sind, um das volle Potential der Blockchain-Technologie auszuschöpfen.

Bei aller angehenden Euphorie mag man sich allerdings fragen, ob der Kunde diese neuen Krypto-Telefone wirklich braucht und auch bereit ist, bis zu $999 wie für das Finney zu bezahlen. Zurzeit ist diese Frage für den Massenmarkt an Nutzern klar zu verneinen, ganz bestimmt in Deutschland und Europa. Hier werden mit den Krypto-Handys nur sehr ausgewählte Segmente der Krypto-Community angesprochen. Etwas anders sieht das im krypto-affineren und stärker auf Technologieinnovation fixierten asiatischen Markt aus. Mit der Ankündigung von Samsung ihr Wallet auch auf weiteren Geräten der Galaxy Serie bzw. der Mittelklasse anzubieten und gleichzeitig um neue DApps zu erweitern, zeichnet sich eine Entwicklung ab, die eine Diffusion in breitere Nutzer- und Käuferschichten unterstützt. Weiterhin plant Samsung das XWallet von PundiX zukünftig in das Samsung wallet zu integrieren. Man beachte, dass Samsung mit mehr als 71 Millionen verkauften Endgeräten und 23 % Marktanteil in Q1 2019 als Weltmarktführer ein Akteur ist, der Industrietrends setzen kann. Schließlich kommt mit Facebooks Kryptowährung Libra noch weitere Bewegung in den Markt, die die Nachfrage nach Storage-Lösungen und Wallets insbesondere auf Smartphones beflügeln wird.

Es ist erwarten, dass die Dynamik der Anwendung von Blockchain-Technologie in der Telekommunikation insgesamt, also weit über den hier betrachteten Endgerätemarkt hinaus, in Zukunft deutlich zunehmen wird. Bereits in den letzten 2 Jahren hat sich bei Netzbetreibern, Netzwerkausrüstern, Regulierungsbehörden, aber auch bei neuen Spielern – den New Kids on the Block – einiges getan. Das betrifft insbesondere alternative Geschäftsmodelle, Dienste und Möglichkeiten der Prozessoptimierung durch die Verwendung von Blockchain- sowie Distributed Ledger Technologie und Smart Contracts.

Dazu mehr in kommenden Beiträgen. Stay tuned!

Author: Dr. Karl-Michael Henneking

Karl-Michael is passionate about digital incubation and transformation, the distributed economy and in particular dlt, blockchain, STOs and crypto regulation. He builds on an international career in consulting, CXO positions in tech companies and venture capital.

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